Letter from Berlin and Seoul  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏  ͏
 
Willkommen zu unserem Brief aus Berlin!

Diesen Sommer bringen wir mit der zweiteiligen Ausstellung Dui Jip Ki, die gegenwärtig in Berlin und in Seoul zu sehen ist, koreanische Kunst nach Berlin.

In enger Zusammenarbeit mit unserem Team in Seoul kuratiert, freuen wir uns sehr, die Arbeiten dieser acht außergewöhnlichen KünstlerInnen aus fünf Generationen zu präsentieren, um die langjährige Beziehung der Galerie zu Korea zu feiern, und dies kurz vor dem ersten Jahrestag der Eröffnung unserer Seouler Dependance.

Dieser Brief aus Berlin stellt die Ausstellungen vor und gibt weitere Hintergrundinformationen zu den KünstlerInnen mit Ausstellungsansichten, ihren Ateliers und Interviews. Außerdem haben wir die KünstlerInnen gebeten, uns ein paar ihrer Lieblingsziele in Seoul zu verraten. Diese City Guides werden den Rest des Sommers über auf unserem Instagram-Account zu sehen sein, aber ein paar ihrer Tipps können Sie bereits hier finden.

Es gibt die ersten Rezensionen und wir schließen mit einem ersten Pressespiegel

Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit dem Brief aus Berlin—und Seoul!
 
Exhibition views: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023
Photos © Andrea Rossetti
Die Arbeiten der acht KünstlerInnen (sieben in Seoul) knüpfen auf spezifische Weise an die traditionsreiche Geschichte der koreanischen Gegenwartskunst an. Durch die kritische Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Ideen, die Anwendung alternativer konzeptioneller Strategien, die Thematisierung subversiver Identitäten und paralleler Geschichtsbilder oder die Erneuerung traditioneller Techniken und Materialien können die Werke in Dui Jip Ki als eine ästhetische Reise des Ursprungs, der Entstehung und des Aufbruchs betrachtet werden.

Der Titel der Ausstellung, Dui Jip Ki, bezieht sich auf die Heterogenität der gezeigten künstlerischen Praktiken. Im Koreanischen hat der Begriff verschiedene handlungs-bezogene Bedeutungen. So wird der Akt des Umdrehens von etwas auf die andere Seite als 뒤집기, Dui Jip Ki, bezeichnet und hat mehrere Anwendungen; es kann sich auf etwas Alltägliches beziehen, wie das Wenden eines Pfannkuchens, aber auch auf einen Sinneswandel, eine Öffnung für alternative Ideen. Es ist außerdem der Begriff, der im traditionellen koreanischen Ringkampf verwendet wird, um einen Gegner mittels großer Kraftanstrengung in Rückenlage zu zwingen, um den Sieg zu erringen.
Exhibition views: 뒤집기 / Dui Jip Ki, Esther Schipper, Seoul, 2023
Photos © Sangtae Kim
Die allgemein übliche Beschreibung der Entwicklung der koreanischen Kultur in den letzten fünfzig Jahren ist von Dichotomien geprägt. Der sozial-politische Ursprung des zeitgenössischen Korea und der zeitgenössischen Kunst in Korea wird von Gegensätzen wie Nord gegen Süd und Abstraktion (Dansaekhwa) gegen Sozialrealismus (Minjung) geprägt. Die beiden vorherrschenden künstlerischen Bewegungen der Nachkriegszeit, Dansaekhwa und Minjung, wurden ebenfalls in diesen Kontext gesetzt.

Dansaekhwa entstand in den frühen 1970er Jahren als koreanische Umsetzung des weltweiten Phänomens der monochromen Malerei der Nachkriegszeit, jedoch mit einer deutlichen Betonung der meditativen Aspekte, die im Mittelpunkt der physischen Prozesse und der konzeptionellen Ausrichtung stehen. Die Dansaekhwa-KünstlerInnen stützten sich auf philosophische Vorstellungen von Handlung und Nicht-Handlung und verstanden ihre Praxis als grundlegend ostasiatisch.

Minjung, das in den späten 1970er Jahren als Reaktion auf die politischen Entwicklungen und auf die Wahrnehmung von Dansaekhwa als zu unengagiert gegenüber diesen harten Realitäten entstand, griff auf Volkskunst und Volkskultur zurück, um Werke zu schaffen, die ein größeres Publikum erreichen konnten. Die sozialrealistische Praxis der Minjung-Künstler stellte politische und soziale Kämpfe dar, rühmte aber auch den Einfallsreichtum und die Belastbarkeit des Volkes durch die Darstellung vielfältiger Bevölkerungsgruppen und der koreanischen Landschaft.
Presentation of works by Lee Bae
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Für die jüngeren Generationen spielen diese binären Vorstellungen keine so bedeutende Rolle mehr. Vorallem seit der zunehmenden internationalen Sichtbarkeit und dem verstärkten kulturellen Dialog in den frühen 1990er Jahren - mit der Ausstellung der Whitney Biennale 1993 in Seoul, der Eröffnung des koreanischen Pavillons auf der 46. Biennale von Venedig 1995 und der ersten Gwangju Biennale 1995 - haben koreanische KünstlerInnen weitgehend mit den essentialistischen und nationalistischen Ansprüchen der beiden früheren Kunstströmungen gebrochen. Dui Jip Ki versucht, die Lebendigkeit zeitgenössischer Praktiken zu präsentieren, indem sie KünstlerInnen zeigt, die Wege gefunden haben, innerhalb der seit langem etablierten Medien Malerei und Skulptur auf höchst originelle und alternative Weise zu arbeiten.
 
Das Werk von Lee Bae (geb. 1956) steht für eine zweite Generation der Entwicklung in der koreanischen Gegenwartskunst. Sein Werk bedient sich elementarer und alternativer konzeptioneller Transformationsstrategien und schlägt eine Brücke zwischen monochromer Nachkriegsmalerei und zeitgenössischer Kunst. Lee Baes Werk würdigt die Rituale und Traditionen der koreanischen Volkskultur und des Handwerks. Er verwendet Holz, Feuer und Hanji (koreanisches Maulbeerpapier) zur Herstellung von Skulpturen, Installationen, Zeichnungen und Assemblagen, wobei Holzkohle ein zentrales transformatorisches Material in seiner Praxis darstellt.
Presentation of works by Lee Bae
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Holzkohle hat in der koreanischen Tradition eine besondere Bedeutung. Es wird geglaubt, dass Holzkohle Häuser trockenlegen und böse Kräfte abwehren kann. Wenn der erste Vollmond des Mondkalenders aufsteigt, führen die Menschen das Ritual des "Verbrennens des Mondhauses" durch, bei dem ein heiliges, aus Kiefernzweigen errichtetes Mondgebäude in Brand gesetzt wird. Die Holzkohle, die bei der Verbrennung von Kiefernholz entsteht, gilt als reinigende Substanz mit spiritueller Wirkung.

Das relativ preiswerte Medium Holzkohle ermöglichte es Lee Bae, verschiedene Aspekte der Materialität zu erforschen. In seiner künstlerischen Praxis hat der Künstler, der längere Zeit in Frankreich gelebt hat, einen Weg gefunden, sich mit seinen kulturellen Wurzeln zu verbinden.
Lee Bae studio views. Courtesy of the artist and Johyun Gallery. Photos © Studio Lee Bae
Issu du Feu ist ein Gemälde aus Holzkohle auf Leinwand, das auf den ersten Blick wie ein Ausschnitt aus einem riesigen Bündel fest gebundener Holzkohle aussieht, glatt wie mit einem scharfen Werkzeug geschnitten. Tatsächlich ist das Werk durch das Ausrichten von geschnittener Holzkohle auf der Leinwand entstanden, die dann veredelt und poliert wird. Hunderte von Holzmaserungen und Wachstumsringen, die von der Natur und der Zeit hervorgebracht wurden, füllen die Leinwand und brechen das Licht in verschiedene Richtungen und in unterschiedlichen Winkeln.

Die Holzkohle, die auf den ersten Blick einfach nur schwarz zu sein schien, erzeugt eine Vielzahl optischer Ausdrucksformen wie eine Enzyklopädie des Lichts. Das Werk, das beim Betrachter eine breite Palette von Bildern hervorruft, reagiert sensibel auf das gesamte Spektrum des Lichts, vom schwächsten bis zum hellsten, von den feinsten Schattierungen bis zu den Schatten der Betrachtenden.
Lee Bae<br>

Lee Bae

Issu du feu 6y, 2002


Holzkohle auf Leinwand
175 x 140 cm

Inquire
 

Hyunsun Jeon (geb. 1989) hat eine einzigartige Bildsprache entwickelt, die eine ausgeprägte Farbpalette mit Schwerpunkt auf Grün- und Blautönen verwendet, Farben, die mit der koreanischen Malerei verbunden sind. Ihr formales Vokabular bewegt sich zwischen symbolischer Geometrie und suggestiver Landschaft und bedient sich unterschiedlicher Darstellungsmaßstäbe. In ihren Aquarellen konzentriert sich Jeon sowohl auf eine materielle Ebenheit (eine glatte und oft matte Oberfläche) als auch auf eine flächige Darstellung an sich. Ihre Ikonographie umfasst Formen, die intellektuell und intuitiv als dreidimensional gelesen werden, aber eine gekonnte Zweidimensionalität aufweisen, die die eindringliche Flachheit ihrer Kompositionen betont.

Die geometrischen Formen ihrer Gemälde finden sich häufig in den dreidimensionalen Strukturen wieder, in denen sie ihre Werke installiert.
Presentation of works by Hyunsun Jeon
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Ein besonders wichtiges und häufiges Motiv ist der Kegel. Für Jeon wurde der Kegel, eine klassische geometrische Form, die auch in der Mathematik eine wichtige Rolle spielt, zu einem Sinnbild für Unentscheidbarkeit. Er kann flach oder räumlich erscheinen, aber für die Künstlerin signalisiert er Unbestimmtheit in einem breiteren Sinne. Inmitten anderer spezifischer Motive erschien der Kegel gleichzeitig als wichtiger Protagonist und unwichtige Leerstelle. Dazu sagte Jeon: "Er war wie ein schwarzes Loch, das alle Bemühungen des Betrachters, die Erzählung des Gemäldes zu entschlüsseln, in sich aufsaugte; der Kegel hatte also eine ganz klare Existenzberechtigung. Ein Kegel wurde allmählich so wichtig, dass er schließlich seine Funktion verlor und verschwand, wobei Fragmente und Bruchstücke fester Formen überall verstreut wurden."
Hyunsun Jeon<br>

Hyunsun Jeon

When You Believe, 2023

Aquarell auf Leinwand
200 x 100 cm

Inquire
Jeons Gemälde sind Erkundungen von sich verändernden Formen und Gestalten, die eine Bedeutung annehmen, um sie dann wieder abzustreifen. Jeon greift zwar auf geometrische Formen und Alltagsgegenstände zurück, doch ihre Bilder verwenden auch eine Formensprache von vereinfachten Landschaften, die an frühe digitale Bilder erinnern und manchmal sogar auf pixelige Fehlfunktionen anspielen.
1. Exhibition view: Art Spectrum 2022, Leeum Samsung Museum of Art, Seoul (2022). Courtesy of the artist and Leeum Samsung Museum of Art, Seoul. Photo © Sangtae Kim. 2. Studio view: The artist and her son (2023). Photo © baufoto. 3. Exhibition view: Meet me in the Middle, Gallery2, Seoul (2022). Courtesy of the artist and Gallery2, Seoul. © Sangtae Kim. 4. Exhibition view: From Fig to Cone, Gallery2, Seoul (2020). Courtesy of the artist and Gallery2, Seoul. Photo © Sangtae Kim. 5. Exhibition view: Parallel Paths, Alternative Space LOOP, Seoul (2018). Courtesy of the artist and Alternative Space LOOP, Seoul. Photo © Yoon Byoungjoo
 
Auch Taek Sang Kim (geb. 1958) repräsentiert bereits eine zweite Generation der Entwicklung innerhalb der koreanischen Gegenwartskunst. Taek Sang Kim beschäftigt sich mit einem transformatorischen Prozess von Wasser, Luft, Tuch und Farbe, um reich gesättigte Gemälde zu schaffen, die ihren ausgeklügelten konzeptionellen und umweltbezogenen Herstellungsprozess nicht preisgeben und schließlich zu einer reinen und einfachen autonomen Form gelangen.
Presentation of works by Taek Sang Kim
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Ausgehend von einer Beobachtung von Farben in der Natur hat Taek Sang Kim in den letzten dreißig Jahren eine besondere Praxis entwickelt, um durch wiederholtes Färben der Leinwand luminöse Bilder zu schaffen. Kim hatte die Klarheit und Tiefe, aber auch die Farbigkeit von Seen in Fotografien des US-Nationalparks Yellowstone bemerkt. Daraufhin versuchte der Künstler, einen Weg zu finden, diese Farbe in der Malerei darzustellen, und zwar nicht als feste Größe, sondern in Form von Licht, wie er es ausdrückte.
Taek Sang Kim<br>

Taek Sang Kim

Breathing light - Violet Green 23-1, 2023

Wasser, Acryl auf Leinwand
85,5 x 86 x 2,7 cm

Für sein Verfahren hat Kim flache, auf dem Boden stehende, mit einem Rahmen versehene Becken konstruiert, in die der Stoff gelegt und mit verdünnter Farbe übergossen wird. Das in der wässrigen Lösung gelöste Farbpigment setzt sich ab, während das Wasser verdunstet. Die Konturen und Linien entstehen durch das sich verflüchtigende Wasser, nicht durch die Hand des Künstlers. Je nach Wind, Sonneneinstrahlung und Temperatur im Atelier, aber auch je nach Neigungswinkel der Beckenränder variieren die Effekte von Mal zu Mal. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt. Jeder Prozess erzeugt eine einzigartige Farbigkeit, solange bis das Werk vollendet ist und die Farbe mit einem Präparat leicht fixiert wird.
1- 4.Taek Sang Kim studio views. Photos © Taek Sang Kim Studio. 5 - 7. Exhibition view: Four Season Exhibition Project, Gallery Aso, Daegu, Korea (2017-2018). Photos © Lee Sumin
Das Resultat ist ein Gemälde aus miteinander verwobenen Farbschichten, wobei sich das Pigment der aufeinanderfolgenden Farbbäder in den Fasern der Leinwand festsetzt. Aufgrund dieses Prozesses gibt es keine Über- oder Unterschichtung, und daher wird jede Vorstellung von einem linearen, zeitlichen Auftrag durch die Erfahrung einer fast wundersamen Gleichzeitigkeit und Schönheit ersetzt.
 
Der älteste Künstler der Ausstellung, Hong Joo Kim (geb. 1945), hat sich seit Beginn seiner künstlerischen Laufbahn von den beiden dominierenden Kunstbewegungen der Nachkriegszeit distanziert. Seine Praxis ist experimentell und vielfältig und hat verschiedene materielle und konzeptionelle Entwicklungen durchlaufen, zu deren Ansätzen Performance, Assemblage, Skulptur und Installation gehören, bis er schließlich zur Malerei zurückkehrte. In Berlin und Seoul sind Werke aus seiner Serie meditativer Gemälde abstrakter und pflanzlicher Formen zu sehen, die sowohl eine konzeptionelle Geste als auch eine Würdigung der künstlerischen Technik darstellen.

Hong Joo Kim, Untitled, 2020, acrylic on canvas, 158 x 205,5 cm
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Die in Berlin installierte großformatige Arbeit Untitled ist charakteristisch für Hong Joo Kims jüngere künstlerische Praxis, die seit 2010 zunehmend die Taktilität in den Vordergrund rückt. Während der Künstler bereits in seinen frühen, surrealistisch inspirierten figurativen Arbeiten aus den 1970er Jahren mit kleinen Pinseln arbeitete, gewann der Einsatz dieser Maltechnik eine neue Bedeutung. Seit etwa 2010 beschäftigt sich Hong Joo Kim intensiv mit der sinnlichen Erfahrung, die die Verwendung eines Pinsels mit nur wenigen Pinselhaaren mit sich bringt, und konzentriert sich dabei insbesondere auf die Vermittlung der taktilen Empfindung, die entsteht, wenn der Pinsel die Oberfläche der Leinwand berührt.

Die Bedeutung der figürlichen Form auf der Leinwand nimmt ab, und die Werke werden abstrakter. Es entstehen fragmentarische Motive, die zwischen Darstellung und Abstraktion schweben, auch wenn die Mehrdeutigkeit der Form nicht zu den Hauptanliegen des Künstlers gehört. Die Vermittlung der taktilen Empfindung durch seine Werke, die beim Malen körperlich erfahren wird, ist nach wie vor das zentrale Thema dieser Werke.
Hong Joo Kim<br>

Hong Joo Kim

Untitled, 2020

Acryl auf Leinwand
158 x 205,5 cm

Inquire
Das folgende 25-minütige Video wurde vom Korean Artist Digital Archive Project produziert und gibt einen umfassenden und spannenden Überblick über Hong Joo Kims vielfältiges künstlerisches Schaffen.
 
Suyeon Kim (geb. 1986) wendet in ihren Gemälden eine Vielzahl vielschichtiger konzeptioneller Strategien an. Oft beginnt sie mit der Schaffung dreidimensionaler Objekte, die sie aus ausgedruckten Fotografien herstellt, die sie wiederum malerisch in eine zweidimensionale Form "zurückverwandelt", um den hybriden Zustand der Malerei als Bild und Objekt hervorzuheben. Sie kategorisiert Zeichensprache, kollektive Erinnerungen ihrer Gesellschaft und spezifische emotionale und physiologische Erfahrungen und verwandelt sie in Papierskulpturen, die zu direkten Bezugspunkten für Gemälde werden. In jüngster Zeit hat sie einen umweltbezogenen Ansatz zur Herstellung ihrer Bilder entwickelt, bei dem sie einen Pinsel aufhängt und ihn vom Wind über ein Blatt bewegen lässt, das sie später einscannt und als Grundlage und Struktur für die Komposition verwendet.
Presentation of works by Kim Suyeon
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Die Arbeit von Suyeon Kim gehört zu einer vierundzwanzigteiligen Serie von Werken, die meteorologische Bedingungen in einem Zeitraum von vierundzwanzig Stunden dokumentieren. Die Künstlerin verwendete verschiedene Instrumente, darunter Pinsel, Stifte und Ölstifte, die vom Wind bewegt wurden, um Markierungen zu erzeugen, die sich auf dessen Geschwindigkeit und Richtung beziehen. Diese Spuren wurden anschließend auf die Leinwand übertragen.

Die vierundzwanzig Kunstwerke sind eine Darstellung des Windes und der Farben des Himmels zur Frühlings-Sonnenwende (21. März), einem der beiden Tage im Jahr, an denen die Sonne genau über dem Äquator steht und Tag und Nacht gleich lang sind. Als Teil ihrer Datenerfassung führte Kim während des gesamten 24-Stunden-Zeitraums stündlich anemografische Messungen durch, wie bei einer daten- und werkzeuggestützten Taxonomie der Natur.
Suyeon Kim<br>

Suyeon Kim

SE23032112, 2023

Acryl auf Leinwand
100 x 80,3 cm

Inquire
Suyeon Kim studio view. Photo © Riveruns Official
Suyeon Kim erforscht in ihren Werken seit einiger Zeit den Bereich der Meteorologie. Trotz jahrhundertelangen Wissens und technologischen Fortschritten ist das wechselnde Wetter kaum fassbar und flüchtig wie der Wind geblieben. Kim erkannte, dass der Wind überall um sie herum weht, wo er will, und sie konnte sein Geräusch hören, aber sie konnte nicht feststellen, woher er kam oder wohin er ging. Sie erfasste das nicht greifbare Pneuma-Objekt - das griechische Wort Pneuma bedeutet wörtlich Wind, aber auch Atem oder Geist - durch seine flüchtigen und momentanen Darstellungen in der Bewegung eines selbstgemachten Instruments der visuellen Aufzeichnung.
 
Haneyl Choi (geb. 1991) ist ein Pionier der Bildhauerei und der Queer-Identität und einer der ersten offen homosexuellen Künstler in der zeitgenössischen Kunstgeschichte Koreas. In seinen Werken, die aus vorgefundenen Objekten, bedruckten Kunststoffen, kodierten Symbolen, digitalen und Videoelementen bestehen, überschreitet Choi ständig die Grenzen dessen, was es bedeutet, ein Bildhauer zu sein. Chois Arbeiten sind großzügig in der Einbeziehung fast aller Materialien, die ihm in die Hände fallen. Ready-made-Fundstücke, 3D-gedruckte Kunststoffe, Codierungen und QR-Codes spielen in seiner aktuellen Praxis eine Rolle.
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023. Photo © Andrea Rossetti
Die zwei in Berlin ausgestellten Skulpturen von Haneyl Choi bestehen aus einer Assemblage unterschiedlicher Elemente, die zu einer gestreckten Konstruktion zusammengefügt sind: darunter verschiedene menschliche Körperteile, vereinfachte geometrische Formen wie Scheiben und Keile sowie spiralförmige Auswüchse, die an viskose Eingeweide oder Metalldornen erinnern.

Die Körperteile, muskulöse Arme und Beine, sind in einer dynamischen Verschlingung organisiert, die an Berührungen erinnert und eine aufgeladene Atmosphäre voller sinnlicher, erotischer Energie verströmt. Inmitten der kompakten Komposition aus fragmentarischen Gliedmaßen stellen die ineinander verschmolzenen geometrischen Formen kleine abstrakte Unterbrechungen dar, ebenso wie die sichtbare Unterkonstruktion. Darüber hinaus sind in und um die cremefarbenen Elemente eine Reihe kleiner schwarzer Quadrate platziert.
Haneyl Choi. Physically: vibe, humor, hormone, pheromone, stink, body language, 2023, expandable foam, silicone, urethane, urea resin, acrylic, styrofoam, steel frame, bronze pipe110 x 90 x 230 cm (excluding intestines). Courtesy the artist, Gallery 2, Seoul, and Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. Photo © Sangtae Kim
Haneyl Choi, Physically: vibe, humor, hormone, pheromone, stink, body language, 2023, expandable foam, silicone, urethane urea resin, acrylic, styrofoam, steel frame, bronze wire, 180 x 70 x 80 cm (excluding wire). Courtesy the artist, Gallery 2, Seoul, and Esther Schipper, Berlin/Paris/Seoul. Photo © Sangtae Kim
Die Skulpturen gehören zu einer Reihe von Arbeiten, die die menschliche Form mit einer neuen Dringlichkeit erforschen. Für Choi hat die Isolation während der Pandemie auch die Bedeutung von intimen körperlichen Kontakten verdeutlicht. In den Worten des Künstlers:

"Der Moment, in dem sich zwei Massen/Körper berühren und zu einem verschmelzen, in dem sich die Körper verdrehen und die Muskeln ineinander verschlingen, ist ein physischer Moment, in dem zwei Atemzüge zu einem werden, zwei Schweißtropfen zu einem einzigen Strom verschmelzen, unterschiedliche Dichten von Körperflüssigkeiten zu etwas Neuem verschmelzen und das Innere und Äußere sich treffen, um zu einem Lustgefühl zu werden. Der zyklische Prozess des Versuchs, den Widerstand und die unbewusste Wechselwirkung der anderen Person zu überwinden, wenn ich versuche, ihren Körper zu kontrollieren, ist ein physischer Moment, der mich daran erinnert, dass Menschen immer noch Menschen sind."
Haneyl Choi<br>

Haneyl Choi

Physically: vibe, humor, hormone, pheromone, stink, body language, 2023

Schaumstoff, Silikon, Urethan-Harnstoffharz, Acryl, Styropor, Stahlrahmen, Bronzedraht
180 x 70 x 80 cm (ohne Drähte)

Inquire
Ein zentrales Thema in Chois Werk ist die Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Männlichkeit, subversiver Queer-Identität, Kunstgeschichte, Neo-Futurismus und Abweichungen von den vorgegebenen Normalitätsstandards. Ähnlich wie in der gegenwärtigen Welt der freien Verfügbarkeit von Daten über unendlich viele Inhalte überlagern sich Chois Gedanken- und Ideennetzwerke und schaffen ein Werk, das von Absurditäten und unbändigem Humor geprägt ist.
1. Haneyl Choi, Move, Common Dream: Be a Great IDOL, 2022, sponge, expanded polystyrene, plywood, 3D printed solid, plaster, approx. 350 x 350 x 220 cm, commissioned by Parasite, Hong Kong. Photo © Felix S.C. Wong, Parasite, Hong Kong. 2. Sculptural IDOL: <433 Three minutes, fourty-four seconds>, 2022, steel, mirror(acrylic), styrofoam, chrome on steel, sponge, various size. Photo © Daegu Art Museum, Daegu. 3. Exhibition view, Manner, P21, Seoul; Gallery2, Seoul (2022). Courtesy of the artist and Gallery2, Seoul, and P21, Seoul. Photo © Sangtae Kim. 4. T2, 2022, resin on kart, 150 x 190 x 200 cm. © Sangtae Kim, P21, Seoul
 
Jin Meyerson (geb. 1972), der außerhalb jeglicher Datenaufzeichnungen geboren wurde, ist eines von vielen im Ausland aufgewachsenen koreanischen Adoptivkindern, die bei ihrer Rückkehr mit einer unterbrochenen persönlichen Geschichte, inneren Krisen und nationalen Vorurteilen konfrontiert sind. Für Meyerson bildeten die Erfahrungen des Verlusts seiner Geburtsdaten, des Ausgesetztwerdens auf einem öffentlichen Markt im Jahr 1975 und schließlich seine Adoption im Jahr 1976 aus einem Waisenhaus in Incheon durch eine jüdisch-amerikanische/schwedisch-amerikanische Familie, die ihn in die amerikanische Kultur verpflanzte, den Antrieb und die Basis für seine Arbeit.
Left: Jin Meyerson, Ascendant 2.0, 2023
Center: Ascendant 1.0, 2023
Right: STAGEDIVE, 2015
Exhibition view: Dui Jip Ki / 뒤집기, Esther Schipper, Berlin, 2023⁠. Photo © Andrea Rossetti
Als Pionier der optischen Grenzbereiche begann Meyerson schon 1996 digitale Bildverarbeitung als Zeicheninstrument einzusetzen, um Neo-Pop-Gemälde der amerikanischen Kultur zu schaffen, in denen er Bilder von wesentlichen Aspekten der amerikanischen Kultur sampelte, sie einer starken digitalen Verzerrung unterzog und sie dann der Kultur gegenüberstellte, aus der sie stammten. Meyersons Gemälde vereinen die traditionellen Bildsprachen von Abstraktion und Figuration und basieren auf kritischen Auseinandersetzungen um Krise, Regeneration und Erneuerung.
Jin Meyerson

Jin Meyerson

Ascendant 2.0, 2023

Öl und Acrylpolymer auf Leinwand
190 x 190 cm

Inquire
Ascendant gehört zu einer neuen Werkgruppe, die mit dem Interesse des Künstlers an der Programmierung zusammenhängt. Ausgehend von seiner Faszination für die Zukunft hat er sich mit dem Konzept der "Retrokausalität" auseinandergesetzt, das sowohl in der Parapsychologie als auch in der Quantenphysik vorkommt. Retrokausalität bezieht sich auf den Begriff der rückwärts gerichteten Kausalität, d. h. auf Konsequenzen, die ihrer Ursache zeitlich vorausgehen und sich daher auf einen früheren Zeitpunkt auswirken.

Für Ascendant verwendete Meyerson sowohl ein Reflexionsbild- als auch ein Animationsprogramm, indem er die Scans und Quellen seiner früheren Séance-Gemälde nutzte, um Videos von deren potenzieller Zukunft zu erstellen. Für den Künstler ist die Malerei bereits von Natur aus mit diesem Effekt verbunden, wie Meyerson anmerkt: "Der inhärente Zeitaufwand für die Herstellung eines Gemäldes kehrt den Fluss der narrativen oder linearen Zeit um und zieht die prognostizierte Zukunft zurück in die Gegenwart." Ein erster Zyklus von Gemälden mit dem Titel Descendant wurde ausschließlich durch ausgewählte Einblicke in die Videos definiert. Die neue Serie mit dem Titel Ascendant beschäftigt sich mit der Überlagerung der Videoaufnahmen mittels Montage und fügt zusätzliche Wahrnehmungsebenen hinzu.

Eine Reihe neuer Gemälde ist derzeit im Rockefeller Center in New York zu sehen.
1 - 2. Exhibition view: Origin, Emergence, Return, Rockefeller Center, New York (2023). Courtesy of the artist and Johyun Gallery, Busan. Photo © Jin Meyerson Studio. 3 - 4. Studio views, Courtesy of the artist. Photos © Jin Meyerson Studio
 
Donghyun Son (geb. 1980) verwendet in seinem Werk eine bewusst eklektische Kombination aus formalen und konzeptionellen Themen. Seine Kunst bewegt sich phantasievoll zwischen östlichen und westlichen ästhetischen Ansätzen, wobei er zuweilen die grundlegenden Merkmale der asiatischen Landschaftsmalerei nutzt, um diese zu dekonstruieren.

Donghyun Son konzentriert sich seit langem auf die Kombination einer großen Bandbreite von Bildsprachen und kompositorischen Ansätzen, wobei er visuelle Idiome von Manga, Comics und Graffiti mit historischer Ikonografie wie höfischen Porträts, Schriftrollen oder mehrteiligen Paravents in Verbindung bringt. Mit seinem Werk Early Spring, das auf dem gleichnamigen Landschaftsgemälde von Guo Xi aus dem frühen 11. Jahrhundert basiert, begann Son im Jahr 2020 erstmals, Ausschnitte und Fragmente aus einem klassischen Werk der ostasiatischen Malerei zu nehmen und sie durch zeitgenössische Mal- und Zeichentechniken neu zu interpretieren.
Exhibition view: 뒤집기 / Dui Jip Ki, Esther Schipper, Seoul, 2023. Photo © Sangtae Kim
Die in Seoul gezeigten Gemälde von Donghyun Son gehören zu einer Reihe von Arbeiten, die auf einem Werk aus dem 20. Jahrhundert basieren, dem kalligrafischen Zeichen von Lee Ungno (Yi Eung-no) für "Drache". Son hat ein klassisches Beispiel für die lange Tradition der Kalligraphie in Tusche neu interpretiert und dabei einen Stil und eine malerische Technik verwendet, die mit einer bestimmten zeitgenössischen Bildsprache verbunden sind. Das Werk verwendet Schablonen zur Umsetzung einzelner Formen des Motivs.
<strong>Donghyun Son</strong><br>

Donghyun Son

Blue and Green Dragon, 2023

Tusche und Acryltusche auf Papier
117 x 180 cm

Inquire
Die Arbeiten von Donghyun Son in Berlin gehören zu einer Serie von Werken, die sich auf ein berühmtes historisches Werk beziehen, Fan Kuans Reisende zwischen Bergen und Bächen aus der Song-Dynastie, das etwa auf das frühe 11. Jahrhundert datiert wird. Jedes Bild der insgesamt zehnteiligen Werkgruppe greift ein Motiv aus der Komposition auf und interpretiert es in einer anderen Maltechnik neu, dekonstruiert also ein klassisches Meisterwerk und interpretiert einzelne Passagen in einer modernen Formensprache um.

Für jede Bild wird ein anderes Material und eine andere Technik verwendet, oft mit spezifischen Assoziationen. Bei dem abgebildeten Werk wird zerknittertes Papier mit Tinte besprüht, um die Textur von Bergen und Felsen darzustellen, und Acryltinte wird mit der Baechae-Technik von der Rückseite aufgetragen (eine traditionelle koreanische Maltechnik, bei der die Tinte langsam von der Rückseite des Papiers oder des Stoffes aufgetragen wird, um subtile Farbeffekte und eine glatte Oberfläche zu erzeugen).
1, 3, 4. Exhibition views: Ink on Paper III, Gallery2, Seoul (2022). Courtesy of the artist and Gallery2, Seoul. Photos © Sangtae Kim
2: Exhibition view: Early Spring, Perigee Gallery, Seoul (2021). Courtesy of the artist and Perigee Gallery, Seoul. Photo © Sangtae Kim
 

Instagram Guides für Seoul

Wir haben die KünstlerInnen, die an unseren Dui Jip Ki-Ausstellungen teilnehmen, gebeten, uns einige ihrer Lieblingsorte zu verraten. Find them via our Instagram.
 

Ausstellungen in Korea

Simon Fujiwara, Hello Who?, 2022, digital animation video, sound, duration: 02:29 min. Still © the artist
Semi Art Community Project: Boo Gie Woo Gie Art Museum
Mit Simon Fujiuwara
Ulsan Art Museum
Bis 2. September 2023
www.ulsan.go.kr
 
Angela Bulloch, Night Sky: Pegasus Solstice.12, 2020
LED lights, blue felt, aluminum, 201 x 268 x 7 cm. Photo © Eberle & Eisfeld
Architecture Becomes Art
Mit Angela Bulloch
24. August – 19. November 2023
Cheongju Museum of Art
www.cmoa.cheongju.go.kr
 
Rosa Barba, Inside the Outset: Evoking a Space of Passage, 2021
16mm film transferred to digital and 8k film, sound, 31:15 min. Film still © Rosa Barba
GIAF23 Gangneung International Art Festival
Mit Rosa Barba und Tino Sehgal
Verschiedene Orte, Gangneung
26. September – 29. Oktober 2023
www.giartfestival.com
 

Presse

 
 
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