A Monthly Digital Diary
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Brief aus Berlin

 

Willkommen!

Willkommen zum letzten Brief aus Berlin in diesem Jahr!

Zu Beginn der Feiertage konzentrieren wir uns auf digitale Projekte, die in den kommenden Wochen online zugänglich sind, während die Museen - zumindest in Deutschland - geschlossen sind. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Erkunden dieser spannenden Online-Projekte!

Zum Abschluss dieses ungewöhnlichen Jahres präsentieren wir ein ganz besonderes Filmscreening von Rosa Barba, deren Repräsentation wir kürzlich bekannt gegeben haben.

Begleiten Sie Isa Melsheimer und Jan Kage, die sich am vergangenen Wochenende in der Ausstellung der Künstlerin in der Galerie in Berlin zu einem angeregten Gespräch trafen.

Wir präsentieren unsere erste Online-Ausstellung mit Hito Steyerl und stellen Materialien aus dem digitalen Ausstellungsführer des K21 vor.

Projekte von Daniel Steegmann Mangrané und Jean-Pascal Flavien haben sowohl real existierende Iterationen als auch eine starke digitale Präsenz: Steegmann Mangranés Arbeit ist derzeit in Madrid zu sehen, die von Flavien wird hoffentlich 2021 in Hannover bald zu besuchen sein.

Und verpassen Sie nicht das Online-Künstlergespräch anlässlich der Ausstellung von Jeanne Tremsal mit Werken von Angela Bulloch, Isa Melsheimer und Christopher Roth, das am Samstag, den 18. Dezember stattfindet.

Besuchen Sie nach der Erkundung dieser digitalen Ausstellungsprojekte auch unsere OVRs!

Wir wünschen Ihnen ein frohes Fest und ein glückliches und gesundes Jahr 2021!

 

Rosa Barba, Somnium, 2011— Filmscreening

Rosa Barba, Somnium, 2011, 16 mm Film übertragen auf digitales Video (Farbe, Ton), Spieldauer: 19:20 Min
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Filmstill © Rosa Barba

Als letzte Filmvorführung des Jahres freuen wir uns sehr, eine Arbeit von Rosa Barba zu zeigen, deren Repräsentation Esther Schipper Anfang des Monats angekündigt hat.

Charakteristisch für Rosa Barbas evokative und oft auch mysteriöse filmische Erzählweise, vereint Somnium Bilder einer winterlichen Landschaft, gefilmt in der Maasvlakte - einem riesigen Industriegebiet innerhalb des Rotterdamer Hafens, das durch Landgewinnung entstanden ist - mit narrativen Fragmenten, die sich lose auf einen Bienenzüchter konzentrieren. Vor 30 Jahren began er auf der Maasvlakte mit seinem ersten Bienenstock und ist nun von Silos für die Öllagerung umgeben. Der Titel ist einer phantastischen Erzählung des Astronomen Johannes Kepler aus dem 17. Jahrhundert entnommen, die ein Buch über die Astronomie des Mondes einleitet, das 1634 posthum von seinem Sohn veröffentlicht wurde. Wie Lynne Cooke 2011 feststellte, "wurde diese Geschichte einer Mondreise, obwohl sie als Traum formuliert ist, erfunden, um die radikal aufrührerische These eines heliozentrischen Universums zu bestätigen. [...] Indem sie Keplers Titel als Hommage entlehnt, greift [Barba] sowohl seine Erzählung als auch, was ebenso wichtig ist, seine bemerkenswerte Leistung bei der Etablierung einer neuen Ontologie des Sehens auf."

Photo © Sara Masüger

Rosa Barba wurde 1972 in Agrigento, Italien,geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Barba studierte an der Kunsthochschule für Medien in Köln und hat 2018 ihre Promotion an der Malmö Faculty of Fine and Performing Arts, Lund University abgeschlossen. Sie war Gastprofessorin am MIT, ACT (Program in Art, Culture and Technology) in Cambridge, Massachusetts. Barba hat eine Professur für Bildende Kunst an der Hochschule für Künste in Bremen inne.

Rosa Barba setzt sich mit dem Medium Film durch einen skulpturalen Ansatz auseinander. In ihren Arbeiten schafft Barba Installationen und ortsspezifische Interventionen, um die Art und Weise zu analysieren, wie Film den Raum artikuliert und das Werk und den Betrachter in eine neue Beziehung setzt. Fragen der Komposition, der Körperlichkeit der Form und der Plastizität spielen für die Künstlerin eine wichtige Rolle, da Barba die Industrie des Kinos und seine Inszenierung gegenüber Geste, Genre, Information und Dokument untersucht. Ihre Filmarbeiten sind zwischen experimenteller Dokumentation und fiktionaler Erzählung angesiedelt. Sie konzentrieren sich oft auf natürliche Landschaften und vom Menschen verursachte Eingriffe in die Umwelt und erforschen das Verhältnis von historischen Aufzeichnungen, persönlichen Anekdoten und filmischer Darstellung, wobei sie Räume der Erinnerung und Unsicherheit schaffen.

Weitere Informationen zur Künstlerin und eine umfassende Übersicht über die letzten institutionellen Ausstellungen finden Sie auf unserer Website.
 

Isa Melsheimer — false ruins and lost innocence

Ausstellungsansicht: Isa Melsheimer, false ruins and lost innocence, Esther Schipper, Berlin, 2020
Photo © Andrea Rossetti

Da du nicht meine Geliebte sein kannst, so sei doch zumindest mein Baum

In seinen kürzlich erschienenen Betrachtungen zu den Landschaften des französischen Malers Camille Pissarro schreibt der Kunsthistoriker T.J. Clark: "Die Natur hat keine Höhepunkte, ist ein Art es zu sagen. Sie ist nicht pittoresk. Oder vielmehr, [und hier spricht er über ein bestimmtes Gemälde] die Geschehnisse und Episoden, die sie hat ... müssen dem Verhangenen, dem Gesamtbild, der nicht-ominösen Totalität weichen."

Sein Text erinnerte mich an ein Foto, das ich selbst einmal in einem Wald aufgenommen habe. Die exakt ausgerichteten Baumstämme erinnerten mich an die Soldatenfriedhöfe des Zweiten Weltkriegs in der Normandie mit ihren gitterförmig angeordneten weißen Grabsteinen, die ein dynamisches, lineares Muster auf den grünen Rasenflächen bilden. In jeder Richtung in Linie, ist der Effekt sowohl entpersonalisiert als auch ehrfurchtgebietend. Das Bild, das ich geschossen habe, sah natürlich überhaupt nicht so aus. Ich konnte auf dem Foto nicht einmal das einfache Muster erkennen, das meinem Blick so offentsichtlich erschien.

Landschaften werden also gemacht. In Clarks Essay geht es darum, Pissarros Fähigkeit nachzugehen, eine Atmosphäre von Normalität und Gleichförmigkeit zu schaffen, ohne dabei ins Unartikulierte oder Unbestimmte zu kippen, wie es meine Fotografie tat. Es ist eine Art "Verweigerung der Gewichtung", die Clark auch als "den Unterschied zwischen Szene und Szenerie" bezeichnet.

Ausstellungsansicht: Isa Melsheimer, false ruins and lost innocence, Esther Schipper, Berlin, 2020
Photo © Andrea Rossetti

Isa Melsheimer sagt, sie sieht die Natur in urbane Landschaften einziehen und menschliche Interventionen in natürliche Prozesse. Der Formschnittbaum, den sie am Anfang ihrer Ausstellung platziert hat, veranschaulicht diese Verstrickung und die Unmöglichkeit, zu einem ursprünglichen Zustand zurückzukehren (und sich diesen überhaupt vorzustellen), in dem die Natur nicht durch die Augen der Menschen eine Form erhält. Die kugeligen Köpfe der Fichten mögen aus ihrer beschnittenen Gestalt herauswachsen, aber der Baum kann seine vom Menschen geschaffene Form nie vollständig überwinden.

Melsheimers neue großformatige Keramiken konstruieren Szenarien der Gleichwertigkeit und verbinden ihre widersprüchlichen Elemente in strukturell und konzeptionell komplexen Arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes miteinander. Wie Melsheimer erwähnt hat, wäre Corbusier über den Pferdekopf in seiner Villa entsetzt gewesen. Doch mit feiner Respektlosigkeit lässt ihre Keramik, die sich auf die Villa Shodhan des Architekten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts in Ahmedabad bezieht, diese Kombination sogar recht plausibel erscheinen.

Wie die Künstlerin selbst erzählt, liegt eine Quelle ihrer neuen Keramikserie in den Skulpturen menschlicher Figuren, die mit Pflanzen oder Felsen verschmolzen sind, die sie bei einem Spaziergang in den Gärten des Neuen Palais in Potsdams Sanssouci sah, dem unter Friedrich II. errichteten Park aus dem 18. Jahrhundert. Im Titel der Serie (und der Ausstellung), false ruins and lost innocence, der Charles Jencks' Kritik an postmoderner Pastiche entnommen ist, klingen diese wunderlichen Grotten und falschen Ruinen des 18. Jahrhunderts an. In diesen sorgfältig konstruierten Gärten - wild in der anglophilen, geometrisch in der frankophilen Welt - versammelten sich hybride Wesen in Strukturen, die gebaut wurden, um fantastische verlorene Welten zu evozieren.

Isa Melsheimer, false ruins and lost innocence 1, 2020, Keramik, Sockel, 104 x 80,5 x 122 cm (Arbeit), 50 x 160 x 110 cm (Sockel)
Photo © Andrea Rossetti

Die Hybridität der Form in Melsheimers Werk hat immer auch weitergehende Konnotationen. Man denke etwa an den Mythos der Daphne: Die Nymphe wurde von einem verliebten Gott verfolgt und wünschte sich in ihrer Verzweiflung eine Verwandlung, um "die Schönheit zu zerstören, die mich zu wohlgefällig macht", wie Ovid die Geschichte erzählt. Doch das schützte sie nicht vor den Avancen ihres Verfolgers: "Auch so liebt Phoebus sie und seine rechte Hand, die er an den Stamm gelegt hat, spürt noch immer das Herz unter der frischen Rinde beben. Nachdem er die Zweige wie Glieder mit seinen Armen umfangen hat, gibt er dem Holz Küsse; das Holz freilich weicht den Küssen aus. Der Gott sprach zu ihr: Da du nicht meine Geliebte sein kannst, so sei doch zumindest mein Baum."

Wenn man dies heute liest, fällt es schwer, nicht zu erschaudern und die Gewalt dieser berühmten klassischen Erzählungen von mythischer Verfolgung, Flucht und Eroberung in einem weiteren Sinne zu betrachten. Melsheimers neue Keramiken tun dies mit leichter Hand: Zu ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit den vielschichtigen Bedeutungen architektonischer Strukturen kommt der inhärente Machtkampf zwischen Natur und Kultur mit erhellender Respektlosigkeit hinzu.

—Isabelle Moffat
Am Samstag, den 12. Dezember, führte Isa Melsheimer mit dem Autor, Musiker und Kurator Jan Kage durch ihre Ausstellung false ruins and lost innocence.

Jan Kage hat Bücher und Platten veröffentlicht und Ausstellungen im In- und Ausland kuratiert. Seine Sendung Radio Arty wird seit 2009 wöchentlich auf FluxFM ausgestrahlt. Seit 2010 ist er Leiter des Kunstraums Schau Fenster und seit 2018 der Galerie Kanya&Kage in Berlin.

Sehen Sie das angeregte und informative Gespräch der beiden HIER!
 

Hito Steyerl — Virtual Leonardo’s Submarine und K21

Hito Steyerl, Virtual Leonardo’s Submarine, 2020, Virtual Reality, Dauer variabel
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020. Visual © Hito Steyerl

Virtual Leonardo's Submarine ist das erste Einzelprojekt von Hito Steyerl mit Esther Schipper und die erste von der Galerie präsentierte virtuelle Ausstellung. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit der Andrew Kreps Gallery, New York, organisiert.

Ursprünglich als Video-Environment für die 58. Biennale in Venedig im Jahr 2019 konzipiert, wurde Leonardo's Submarine als Virtual Reality (VR)-Erlebnis komplett überarbeitet. Beim Betreten des virtuellen Raums - mittels eines VR-Headsets oder einer Webbrowser-Version - finden sich die Betrachter unter Wasser treibend wieder, umgeben von Fischen, Algen und Korallen. Der Avatar der Künstlerin, in voller PEOPLE-Ausrüstung, schwimmt nebenher.

Hito Steyerl, Virtual Leonardo’s Submarine, 2020, Virtual Reality, Dauer variabel
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020. Bild © Hito Steyerl

Die VR-Erfahrung, die Virtual Leonardo's Submarine bietet, greift Steyerls Konzept der Bubble Vision auf, das sie 2018 in ihrem Vortrag an der Yale School of Art entwickelte. VR-Erfahrungen stellen den Betrachter in den Mittelpunkt einer Umgebung und entkörperlichen ihn gleichzeitig: "Die/der BetrachterIn ist absolut zentral, aber gleichzeitig fehlt er oder sie in der Szene. (...) Ist diese 'Bubble Vision' - diese 360-Grad-Sicht - ein Trainingsprogramm zur Anpassung des Menschen an eine Welt, in der sie zunehmend fehlt, weil sie durch unsichtbare Systeme oder Automatisierung oder Roboter ersetzt wurde?", fragt Steyerl.

Hito Steyerls Vortrag Bubble Vision an der Penny Stamps School of Art & Design an der University of Michigan können Sie HIER auf unserer Website ansehen.

Eine Auswahl an Texten, Podcasts, Vorträgen und digitalen Arbeiten auf der Website von K21, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. © VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Bilder © Hito Steyerl
Visual © K+ Digital Guide, Kunstsammlung Nordrhein Westfalen, 2020

Während I Will Survive, Hito Steyerls große Ausstellung im K21 in Düsseldorf derzeit geschlossen ist, bietet die Website des Museums umfangreiches Zusatzmaterial, um mehr über das Werk der Künstlerin zu erfahren. Hier finden Sie Texte, Videoclips und auch einen Podcast zur Ausstellung. Außerdem können Sie sich HIER einen Rundgang durch die Ausstellung I Will Survive mit der Kuratorin Doris Krystof ansehen.

I Will Survive präsentiert die erste umfassende Ausstellung über die Künstlerin, Filmemacherin und Autorin Hito Steyerl. Steyerl gilt derzeit als eine der avanciertesten Künstlerinnen in Bezug auf die aktuelle Reflexion über die gesellschaftliche Rolle von Kunst und Museen, die Entwicklung künstlicher Intelligenz und das Experimentieren mit medialen Präsentationsformen. Die Schau setzt mit frühen Arbeiten ein, die exemplarisch für den „documentary turn“ stehen, eine andere Auffassung des Dokumentarischen, dessen Begriffswandel Steyerl maßgeblich mitgedacht, formuliert und praktiziert hat.

Ein weiterer zentraler Aspekt in Steyerls Werk sind die Mutationen der Kamerabilder in den letzten dreißig Jahren, von der Entwicklung der analogen Bilder und ihrer vielfältigen Montagen bis hin zum geteilten, zunehmend flüssige werdenen Bild des digitalen Informationszeitalters. In ihren jüngsten Arbeiten setzt sich Steyerl kritisch damit auseinander, wie Kunst zunehmend zum Objekt von Investitionen und Spekulationen wird, bestimmt und gesteuert von großen Galerien und mächtigen Oligarchen. Der Begriff der öffentlichen Kunst, den Steyerl beansprucht, erhält so eine neue Bedeutung.

Im Frühjahr 2021 soll I Will Survive im Centre Pompidou, Musée National d'Art Moderne, Paris, eröffnet werden, das für die Ausstellung mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf kooperiert hat.

Ausstellungsansicht: Hito Steyerl, I Will Survive, K21, Düsseldorf, 2020
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Photo © Achim Kukulies, Düsseldorf

Die Video-Installation SocialSim wurde für die Ausstellung I Will Survive im K21 produziert. Aufgrund der weiteren Corona-bedingten Schließung des Museums adaptierte Hito Steyerl einen Teil der Video-Installation, die soziale Simulation Dancing Mania, für den virtuellen Raum. Soziale Simulationen sind Modelle, die von der Verhaltensforschung angewendet werden. Anhand von einzelnen Parametern, sogenannten quantifizierten sozialen Interaktionen, werden Prognosen etwa über Energieverbrauch, Unruhen, Suizid- oder Infektionsraten erstellt.

Hito Steyerl, Dancing Mania, XR Version, 2020, auf der Website der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Bild © Hito Steyerl

In Dancing Mania wird eine Infektion unbekannten Urspungs und deren Verbreitung simuliert. Ob es sich beim Erreger um Krankheiten, manisches Tanzen, Unwahrheiten, Informationsüberfluss oder Verschwörungstheorien handelt bleibt dahingestellt, die Mathematik ist jeweils dieselbe. Dancing Mania zeigt die Parameter hinter den Grafiken, die derzeit den Alltag vieler Menschen weltweit bestimmen. Die Simulation zeigt auch, dass es durch Änderung der Parameter durchaus möglich ist, die Ausbreitung von, sagen wir mal Verschwörungstheorien einzudämmen. Im Übrigen stellt sie ein überzeugendes Alternativangebot zu Cyberpunk 2077 dar, obwohl die Grösse der Genitalien hier nicht einstellbar ist. Durch die immersive VR Ansicht befindet sich die/der SpielerIn mitten im Geschehen. Ideal für Lockdown und Advent!

Weitere Informationen zur Navigation und zu Hardware-Empfehlungen finden Sie auf der Seite des K21, die mit dem Bild verlinkt ist.
 

Daniel Steegmann Mangrané — TBA21, Madrid und online auf st_age

Daniel Steegmann Mangrané, A Dream Dreaming a Dream, 2020, Videoprojektion (prozedurale computergenerierte Echtzeit-Animation, schwarz-weiß), 4-Kanal-Ton
Visual © Daniel Steegmann Mangrané

Daniel Steegmann Mangranés neue Arbeit A Dream Dreaming a Dream ist eine prozedurale Computeranimation, die sich kontinuierlich in Echtzeit verändert. Das Projekt ist derzeit in Madrid zu sehen, verfügt aber über eine eigenständige digitale Präsenz und eine Fülle von online verfügbaren Zusatzmaterialien, die wir im Folgenden vorstellen.

How to Tread Lightly. st_age expanded, an exhibition setzt sich mit den Herausforderungen auseinander, die die Covid-19-Krise in Bezug auf die Unterstützung künstlerischer Praxis mit sich bringt. Die von Soledad Gutiérrez kuratierte Ausstellung ist eine Erweiterung der Künstlerprojekte in der materiellen Welt, die derzeit im Rahmen von Season 1 von st_age präsentiert werden, einer Online-Kommissionsinitiative, die im September 2020 von Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA21) ins Leben gerufen wurde.

Daniel Steegmann Mangrané, A Dream Dreaming a Dream, 2020, Videoprojektion (prozedurale computergenerierte Echtzeit-Animation, schwarz-weiß), 4-Kanal-Ton
Ausstellungsansicht: How to Tread Lightly, Thyssen-Bornemisza National Museum, Madrid, 2020
Photo © Roberto Ruiz

Daniel Steegmann Mangrané's A Dream Dreaming a Dream ist unendlich selbstgenerierend und verändert sich kontinuierlich in Echtzeit. Ausgehend von der virtuellen 3D-Umgebung Phantom (Kingdom of all the animals and all the beasts is my name) des Künstlers, platziert die Arbeit eine animierte Figur eines Panthers in einem digitalen Raum in einer kontinuierlichen Animation.

Die digitale Darstellung des 3D-gescannten tropischen Regenwaldes bildet die Grundlage der Arbeit, in der die computergenerierte Darstellung des Panthers präsentiert wird. Das dicht belaubte Unterholz des Regenwaldes, das zarte Laub und die Äste sowie der mit Blättern und Farnen bedeckte Boden sind durch kleine weiße Punkte abgegrenzt, während der Panther durch sanft leuchtende kurze grafische Linien dargestellt wird, die seine Gestalt und Gliedmaßen formen. Die vereinfachte Darstellung ist erstaunlich lebensecht und transportiert sogar eine gewisse Beseeltheit, die den Traumzustand des Werktitels heraufbeschwört.

Die Präsenz des Panthers in A Dream Dreaming a Dream erhellt seine unmittelbare Umgebung. Dort, wo das Tier ist, ist die Landschaft leicht beleuchtet und im Detail sichtbar. (Dieser Effekt ist vielleicht vergleichbar mit der Erfahrung der menschlichen Beobachter der virtuellen Umgebung von Phantom, die ihre unmittelbare Umgebung am deutlichsten wahrnehmen.

Das Agieren des Panthers im Raum - wechselnde Verhaltenssequenzen des Umherwanderns im Regenwald, des Schlafens, Träumens und Wachens - wird von einem Programm mit einem zufallsgenerierenden Algorithmus in Echtzeit bestimmt, d.h. die Handlungen des Tieres sind nicht vorherbestimmt, sondern entwickeln sich, während wir zusehen.

A Dream Dreaming a Dream
ist inspiriert von einem langjährigen Thema in Daniel Steegmann Mangranés Praxis: der indigenen Wahrnehmung des Waldes und dem Verständnis der Entitäten, die ihn jenseits des Menschen als göttliche Gestalten bewohnen: von Tieren, über Flüsse, bis hin zu Pflanzen, zu machtvollen Geistern oder Phantasmen.

Klicken Sie hier für einen Überblick über das verfügbare Material, darunter Gespräche, Podcasts, Videos und die Arbeit auf der digitalen Plattform st_age x KHOJ.

Im Rahmen des Projekts von Daniel Steegmann Mangrané auf st_age gibt es eine Fülle von Informationen: ein ausführliches Gespräch mit der Kuratorin Soledad Gutiérrez, in dem Daniel über sein langjähriges Interesse an der Region Mata Atlântica und ihren Bewohnern und die Arbeiten, die sie inspiriert hat, spricht; eine faszinierende Leseliste, die der Künstler zusammengestellt hat, mit verlinkten pdfs der Texte; einen Podcast mit dem Titel The Dreaming Forest, der von Helena Palmquist geleitet wird, und einen Appell zum Handeln von APIB (Articulation of Indigenous Peoples of Brazil), dem größten Zusammenschluss indigener Völker in Brasilien, der ein Netzwerk von Organisationen ist, die in allen Regionen des Landes vertreten sind.

Klicken Sie unbedingt auf "show research cluster", um die umfangreiche Leseliste und die PDFs von Texten zu sehen, die der Künstler zusammengestellt hat. Diese Dokumente und Ressourcen beinhalten umfangreiche, jüngst erstellte Berichte, die die Beteiligung globaler Investoren und multinationaler Unternehmen an der Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes thematisieren, sowie Artikel über die anhaltenden Auswirkungen von Covid-19 auf indigene Völker. Presselinks enthüllen die Schrecken der Demontage von Umwelt- und Indigenenschutz durch die Bolsonaro-Regierung, und anthropologische Texte thematisieren die indigene Beschäftigung mit der Übernahme der Sichtweisen nicht-menschlicher Identitäten.

Click here to watch the interview

Ausgehend von Daniel Steegmann Mangranés Animation auf st_age erkundet dieses Gespräch mit dem Künstler sein langjähriges Interesse an der Ökologie des Amazonasgebietes und wie es zu einem tieferen Verständnis der ameridianischen Perspektiven in seiner Praxis geführt hat. Steegmann verdeutlicht einige der Fragen, die im st_age-Podcast seiner Episode aufgeworfen wurden, und schildert seine Verbindung zu APIB (Articulation of Indigenous Peoples of Brazil), der Organisation des Appells zum Handeln.
 

Jean-Pascal Flavien — How to Survive. Kunst als Überlebensstrategie, Sprengel 360°

Jean-Pascal Flavien, Description of a Struggle, 2020, Holz, Trockenbau, Armierungseisen, Kunststoffgitter, 3,85 x 9,9 x 4,5 m. Produced by Sprengel Museum Hannover with the support of Gartenheim eG 2020.
Ausstellungsansicht: How to Survive. Art as a Survival Strategy, Sprengel Museum, Hannover, 2020
Photo © studioflavien

Das Projekt von Jean-Pascal Flavien für How To Survive. Kunst als Überlebensstrategie, im Sprengel Museum in Hannover ist als analoge Ausstellung entstanden - und die Arbeit ist tatsächlich installiert -, hat aber auch eine digitale Präsenz als Teil eines virtuellen Rundgangs, den man auf der Website des Museums, Sprengel 360°, machen kann.

Mit seinem neuen Haus, das den Titel Description of a Struggle trägt, hat Flavien das Thema der Ausstellung, das in diesem Jahr noch eindringlicher ist als in anderen, auf den Punkt gebracht. In Anlehnung an seine frühen Modelle für das sogenannte landscape house, die sich als abstrakte Verkörperungen katastrophaler Zustände manifestierten, steht dieses Gebäude gleichzeitig für Freiheit und Zwang: Das Haus mit seinen sieben abgegrenzten Zimmern überlässt es den Bewohnern, es zu ihrem eigenen zu machen.

In den Worten des Künstlers:

Beschreibung eines Kampfes ist der Titel einer Kurzgeschichte von Franz Kafka. Ich wollte diese Beschreibung in einer anderen Form wiedergeben. Lass das Haus zu einer Beschreibung werden. Ein bewohnbares Objekt, das ein Text sein will. Ist es ein Traum? Die Beschreibung würde die Elemente einer Vermutung - Wände, Gänge, Räume - zusammentragen und die Konturen definieren. Beschreiben hieße, eine Situation zu erzeugen, indem man ihr Begriffe gibt. Ein Leben zu beschreiben, indem man ihm einen täglichen Verlauf gibt.

Die Außenwände umschließen sieben Räume, die durch grob verputzte Trennwände unterteilt sind. Jenseits der weißen Wand, die den Eintritt verhindert, sind die sieben Räume türlos und kommunizieren nicht. Das Haus befindet sich in einem Zustand des Schlafes und wartet auf seinen Bewohner. Der Bewohner wird eine Anstrengung unternehmen müssen, um diesen Ort zu bewohnen: durch die Wände dringen, Flächen durchstoßen, sich einen Weg bahnen. Er kann sich im ersten Raum niederlassen, während er die anderen Wände unberührt lässt, sich einnisten, hinlegen, aufgeben, oder sich weiter ins Haus graben, nach rechts oder links, weitergehen, sich für eine andere Aktion entscheiden. Die Entscheidungen, die sich ergeben, bestehen aus Stopps, Gabelungen und aus Zerstörung. Ein Kampf! Ich stelle mir etwas Animalisches und Verwildertes in diesem Alltag vor. Leben ist das Ziehen einer Linie durch die Räume, wie das Abstecken eines Tunnels in einem Bergwerk.

Gewöhnlich entscheidet die Architektur über einen Verlauf, über das, was sie trennt, was sie zusammenführt, selbst in der Intimität, die sie manchmal erfindet und fördert. In ihr zu leben, zwingt einen durch Wiederholungen, durch Anpassungen, sein Leben an die Form dieses Raumes anzupassen, ähnliche Konvergenzen in den Gewohnheiten zu induzieren, vergleichbare Distanzierungen in den eigenen Gedanken zu verinnerlichen. Es scheint ein Widerspruch in diesem Haus zu sein, das auf den ersten Blick eher einengend wirkt, aber indem es die Öffnungen und die Anordnung der Verläufe nicht festlegt, überlässt es dem Bewohner die Wahl, sich einen Weg zu bahnen, wenn auch mit einer zerstörerischen Geste. Ich möchte, dass sich das Haus der Determinierung entzieht, dass es fast nichts vorschreibt, dass das Leben dort nicht geschrieben wird.


Screenshot, How to Survive. Art as a Survival Strategy, Sprengel 360° virtueller Ausstellungsrundgang mit Navigationsfeldern in der linken und rechten Ecke.

How to Survive. Kunst als Überlebensstrategie, ist über den virtuellen Rundgang Sprengel 360° zugänglich. Die Ausstellung vereint künstlerische Ansätze von den 1960er Jahren bis heute, die sich mit individuellen wie globalen Krisen auseinandergesetzt haben und deren Fragen und Lösungen in ihren Werken fortwirken. Die Ausstellung zeigt Arbeiten von 14 Künstler/innen, darunter auch Jean-Pascal Flavien, dessen neues Haus Description of a Struggle für diesen Anlass konzipiert und gebaut wurde. Die Ausstellung wird bis April 2021 verlängert und ist nach Aufhebung der Beschränkungen für die Öffentlichkeit zugänglich.

Sprengel 360° nimmt die Besucher mit auf einen Rundgang durch die gesamte Ausstellung, bietet aber auch die Möglichkeit, selbstständig zu navigieren, um einzelne Werke genauer zu betrachten.
 

Angela Bulloch, Isa Melsheimer & Christopher Roth – Fahrbereitschaft

Mein Vater,
meine Nachbarn,
meine Freunde,
und deren Freunde
mit Angela Bulloch, Isa Melsheimer & Christopher Roth
haubrok foundation, Fahrbereitschaft, Berlin
Die Ausstellung ist bis auf Weiteres geschlossen.
www.tremsal.de

Zoom Conversation with the Participating Artists
Samstag 19. Dezember, 2020, 16.00 Uhr
Sehen Sie das Gespräch live auf www.tremsal.de und www.space-time.tv
 

Esther Schipper Online — Online Viewing Rooms

<b>OVR: Miami Beach</b><br>

OVR: Miami Beach

Online Viewing Room
Bis 9. January 2021
Online Now

Ausstellungsansicht: OVR: Miami Beach, Esther Schipper, Berlin, 2020
Photo © Andrea Rossetti

<b>Daata Fair Miami</b><br>

Daata Fair Miami

A solo presentation by David Claerbout
Online Only Art Fair
Bis 9. January 2021
Online Now

David Claerbout, Wildfire (meditation on fire), 2019-2020, Ein Kanal Videoprojektion, 3D-Animation (Stereo-Ton, Farbe), Dauer: 24 Min
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Filmstill © David Claerbout

 

The Reading Corner – Esther Schipper Bookstore

Zur Weihnachtszeit präsentiert der Esther Schipper Bookstore Werke, limitierte Editionen, Multiples, seltene Publikationen und neue Monografien!

Blättern Sie in der Esther Schipper Bookstore Brochure um weitere verfügbare Artikel in unserem Buchladen in Berlin und online zu sehen.

Bitte beachten Sie außerdem, dass alle zu diesem Zeitpunkt eingegangenen Bestellungen im Januar 2021 verschickt werden.

 
Esther Schipper GmbH, Potsdamer Strasse 87, 10785 Berlin