A Weekly Digital Diary
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Brief aus Berlin

 

Willkommen!

Herzlich willkommen zu unserem Brief aus Berlin!

In dieser Woche konzentrieren wir uns weiterhin auf neue Projekte und die Wiedereröffnung von Ausstellungen.

Anlässlich der Ausstellung von Isa Melsheimer mit N.Dash im Rahmen von Festival! stellen wir Ihnen ihr kurzes Video Wasserballett für Marl vor und veröffentlichen einen Auszug aus ihrem Interview mit Collectors Agenda. Isa Melsheimers Einzelausstellung im KINDL endet am nächsten Wochenende, am 5. Juli.

Wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf eine Ausstellung mit Karin Sander lenken, die an diesem Wochenende eröffnet wird, präsentieren neue Interviews mit Gabriel Kuri, und werfen einen Blick auf Werke der Künstler*innen in unserer Ausstellung PS81E.

Alles, was Sie vielleicht in unseren Social Media-Kanälen verpasst haben, finden Sie auf Continuity, unserer digitalen Plattform.

Bleiben Sie gesund.

 

Film Screening – Isa Melsheimer

Isa Melsheimer, Wasserballett für Marl, 2017, Video (Farbe, Ton), Maske (Stoff, Polsterwatte, Nähgarn, Draht, Schleier) 07:48 Min Spieldauer
Film still © Isa Melsheimer

Isa Melsheimers Film wurde anlässlich der Ruhrfestspiele Stadtlichter 2017 in Marl bei Münster produziert. Der Film wurde vor Ort gedreht, in einem großen Brunnen, der Teil eines öffentlichen Platzes innerhalb eines Gebäudekomplexes aus den 1960er Jahren ist, zu dem auch das Rathaus der Stadt gehört. In den letzten Jahren wegen Schäden und finanzieller Engpässe abgeschaltet, ließ Melsheimer das Becken mit Wasser füllen und inszenierte ein Wasserballett mit Synchronschwimmern. Neben der Choreographie, die Melsheimer in Zusammenarbeit mit dem bekannten Choreographen Frank Willens schuf, stellte die Künstlerin für jeden Darsteller Kostüme und Masken her.

Melsheimers Video Wasserballett für Marl ist sowohl eine Hommage als auch eine ironische Aufforderung an die Stadt, sich mit ihrem architektonischen Erbe auseinanderzusetzen. Die Kunstfertigkeit der Bewegungen der Synchronschwimmer, eine vor allem in den 1950er und 1960er Jahren beliebte Sportart, steht in spielerischem Kontrast zur Architektur der gleichen Zeit. Vor dem Hintergrund des Marler Stadtbildes fließen assoziative Ebenen in dem Video zusammen: der Optimismus der 1950er und 1960er Jahre übersetzt in Vorstellungen von der städtebaulichen Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg und das Erbe dieses Projekts in seiner etwas heruntergekommenen Gegenwart.

Es zeigt, was man mit einem umgestalteten Brunnen machen kann. Rathäuser können ein wenig Albernheit vertragen, auch wenn sie, charakteristisch für Isa Melsheimers Herangehensweise an alles, was Architektur betrifft, durch größere Themen aufgefangen wird: Stadterneuerung und Verfall, ein liebevoller Umgang mit den vernachlässigten, manchmal idiosynkratischen Wundern überall um uns herum.

Ein Bereich in Isa Melsheimers Atelier mit einigen der Kostüme, die die Künstlerin für die Schwimmer*innen in ihrem Video bestickt hat. Courtesy Collectors Agenda
Photo © Kristin Loschert

In einem ausführlichen Interview mit der Kunstzeitschrift Collectors Agenda in ihrer Reihe In the Studio sprach Isa Melsheimer auch über ihr Projekt in Marl.

Dein Interesse gilt unter anderem der brutalistischen und modernen Architektur der 1960er und 1970er Jahre. Letztes Jahr konntest du dieses Interesse in Marl im nördlichen Ruhrgebiet künstlerisch umsetzen.
Marl ist wie Fogo Island ein spannender Ort. Marl wirkt wie eine Betonstadt, die in ihrer Abgeschiedenheit den Charakter einer Insel aufweist. Ein großes Chemiewerk und die ehemaligen Zechen verhalfen der Stadt zu sehr viel Geld, das in den Bau eines modernistischen Rathauses mit dazugehörigem Wasserbecken nach den Plänen von Johan Hendrik van den Broek und Jacob Berend Bakema investiert wurde. Damals war die Konstruktion spektakulär. Aber bereits dreißig Jahre später betrachtete die Stadtbevölkerung diese als scheußlich. Die besondere Geschichte der Architektur und wie diese auf die Menschen wirkt, interessiert mich. Ich habe den Brunnen mit Wasser füllen lassen und sechs Tänzer und Tänzerinnen eingeladen, um der Stadt ein Wasserballett zu schenken. Daraus ist eine Videoarbeit entstanden, die sich mit dem damaligen Optimismus und Wohlstandsgedanken der modernen Architektur auseinandersetzt. Es war spannend, zu sehen, wie positiv die Stadtbevölkerung auf meine Arbeit reagiert hat und wie der Brunnen und das Rathaus den Vorwurf der Scheußlichkeit verloren. Mit meiner Arbeit, wenn man so möchte, beseele ich die Gebäude. Das Video habe ich auch auf Fogo Island gezeigt.

Ist die Kunst ein Rettungsanker für Orte wie Fogo Island oder auch die Stadt Marl?
Ich denke, Zita Cobb hatte diesen Gedanken, als sie Zeit und Geld in Fogo Island investierte. Ungeliebte Orte und vermeintliche Hässlichkeiten können durch die Kunst verändert werden. Möglicherweise liegt dies an den diversen Betrachtungsweisen der Künstler und Künstlerinnen. In meiner Arbeit the possibility of ruins habe ich mich mit Gebäuden, die abgerissen werden sollen, beschäftigt, um beispielsweise deren Schönheit aufzuzeigen. Denke ich an Marl, bin ich sehr froh zu wissen, dass das Rathaus unter Denkmalschutz steht.

Die Bauten der brutalistischen Architektur werden und wurden oft als „Bausünden“ betrachtet. Erst langsam änderte sich diese Sichtweise und der Aspekt der „Sünde“ verschwand, doch weshalb dauerte dies so lange?Die Vorlieben der Architektur ändern sich je nach Sehnsüchten. Der Brutalismus gilt als Nachkriegsarchitektur und seine Bauten erinnern viele an Bunker sowie an den Sozialismus. Viele Menschen empfinden dies als unschön, auch als unangenehm. Sie sehnen sich nach einer Romantik einer vergangenen und goldenen Zeit, um die Nachkriegsjahre vergessen zu können. Was eine Bausünde ist und was nicht, erklären uns verschiedene Generationen oder die Zeit. Aktuell sehnen sich wohl viele nach Pariser Stadtwohnungen oder italienischen Villen. Und ihnen ist egal, ob diese rekonstruiert sind. Sie lieben ihre Parkettböden und lieben ihre Flügeltüren, auch wenn das Parket eigentlich Plastik ist. Die nötige Distanz zu den Kriegsgeschehnissen, um die Besonderheit der brutalistischen Architektur erkennen zu können, fehlt vielleicht. Die nächste Generation wird den Beton mögen und darin etwas sehr Angenehmes und Schönes sehen. Übrigens werden meine Sehnsüchte mit dem Barbican Estate in London geweckt.

(…)
Ist es so, um mit Donna Haraway zu fragen, dass die Welt ein aktives System ist und jeder Teil seiner eigenen Agenda folgt? Oder reguliert der Mensch die Umwelt, und die Umwelt reagiert lediglich darauf?
Noch leben wir in einem von Menschen geschaffenen Zeitalter, welches Ressourcen aufbraucht und die Natur entmündigt. Wir verbrauchen mehr, als uns erlaubt ist, und der Mensch ist der Hauptdarsteller sowie Entscheidungsträger unserer Weltgeschichte. Was wir benötigen, ist die Gleichwertigkeit zwischen Mensch, Natur und Technologie, über die Donna Haraway in ihrem Buch Unruhig bleiben schreibt. In ihrem Konzept des futuristischen Zeitalters, des „Chthuluzän“, erklärt sie, dass die Menschen in verwandtschaftlicher Beziehung zu nicht menschlichen Wesen leben müssen. In meinen Gouachen thematisiere ich diese möglichen Verflechtungen, wobei dabei offenbleibt, ob es sich um Verdrängung, Anpassung oder Verwandtschaft handelt.

Das vollständige Interview mit Isa Melsheimer im Kunstmagazin Collectors Agenda können Sie HIER lesen.

Festival! #2 – Isa Melsheimer | N.Dash

Isa Melsheimer, Metabolit 9, 2020, Keramik, Glasur, 44 x 29 x 27 cm. Photo © Isa Melsheimer; N. DASH, Untitled, 2016, Oel, Pigment, Acrylic, Gesso, Leinen, Holz, 206 x 122 cm. Photo © Joachim Schulz

Festival! A Project by Esther Schipper and Mehdi Chouakri
Eröffnung Samstag, 27. Juni 2020
12.00 – 18.00 Uhr
Mehdi Chouakri, Mommsenstrasse 4

Isa Melsheimer | N. Dash

Press Release DE
Press Release EN
 

Gabriel Kuri

Gabriel Kuri, thermal optimization (with error bars), 2018 (Detail), Papier, PVC, Holz, Mixed Media
Photo © Jimmy Limit

In einem kürzlichen Austausch mit Piero Bisello sprach Gabriel Kuri über das Werk von Lucio Fontana, insbesondere über Ambiente Spaziale auf der Triennale di Milano 1951, und über Parallelen zu den Positionen des älteren Künstlers. Herausgegeben von der Online-Plattform für Kunsttexte Conceptual Fine Arts in der Reihe At the show with the artist, entnehmen wir aus dem längeren Gespräch eine kurze Passage.

Piero Bisello: Ausstellungen von Ihnen wie die in Dublin oder Oakville sind eher Installationen als bloße Objektpräsentationen. Stehen Sie der Vorstellung von Fontana in Bezug auf das Verschwinden des Kunstwerks als Objekt nahe, etwas, das seine Installationen motiviert hat, vielleicht ein Erbe der historischen Avantgarden vor dem Zweiten Weltkrieg?

Gabriel Kuri: Das ist ein guter Punkt. Ich denke, Sie könnten Recht haben, wenn Sie vorschlagen, dass ich zumindest in Bezug auf meine Environments mich der Nachfolge Fontanas aus den europäischen historischen Avantgarden vor dem Zweiten Weltkrieg anschließe. Ganz allgemein gesprochen (was vielleicht altmodisch und akademisch klingt, sehr 20. Jahrhundert, aber mich selbst stört es nicht), glaube ich, dass ein Kunstwerk, das auf Dauer angelegt ist, meist aus der Form heraus entsteht. Es ist das Produkt von Stunden des Formens von Material, des Ringens mit der Form, der Absicht, nicht zu mutmaßen, sondern zu lernen. Das Werk mag auf eine gewisse metaphysische Ambition oder philosophische Abhandlung oder sogar eine politische Erklärung abzielen, irgendwo, wo es unbeschwert und sogar paradoxerweise formlos ist, aber seine Grundlage in der Form ist es, wo es seine Kraft schöpft.

Ausstellungsansicht: Gabriel Kuri, spending static to save gas, The Douglas Hyde Gallery, Dublin, 2020
Photo © Louis Haugh

Vermutlich fühle ich mich deshalb immer wieder zu Fontanas Werk hingezogen, in welchem Medium auch immer. Das liegt an seiner unerbittlichen Angemessenheit in der Form. Es scheut sich nicht vor Metaphysik, es ist konzeptionell sehr ambitioniert, und der einfachste Weg, dies zu erkennen, ist die Absichtserklärung, die seit 1949 in seinen Titeln steht. Seine Sprache ruht jedoch auf dem solidesten aller Fundamente.

Auch hier werde ich wahrscheinlich wieder akademisch klingen, aber ich betrachte meine Arbeit als Skulptur, wie auch immer sie präsentiert werden mag. Ich fühle nicht wohl dabei, wenn meine Werke als Installationskunst bezeichnet werden. Selbst wenn meine Werke Besucher umgeben, wenn sie eher eine auf den Raum reagierendes Environment als ein transportables Objekt sind, erinnere ich die Leute immer wieder daran, dass ich sie in eher klassischen skulpturalen Bezügen verstehe. Wenn sich der Begriff der Installation entspannt hat und das begrüßen darf, was eher als ortsgebundene als opportunistische oder als pseudoskulpturale Problemlösung verstanden wird, dann würde ich mich gerne davon distanzieren.

(…)
Gabriel Kuri: Vielleicht ist etwas anderes, das mich immer wieder auf Fontana zurückkommen lässt, dass, obwohl er ein, akademisch gesehen, robust genügender Künstler war, wenn es um die Konventionen der Malerei ging (Fläche, Rand, Material, Komposition, Farbe), war der Schwerpunkt seiner Bilder nicht der Bildträger. Seine Gemälde waren meiner Ansicht nach nicht nur mit ihrer unbestreitbaren Beherrschung der Leinwand zufrieden. Ihr eigentlicher Schauplatz, der Ort dieser Werke war in der Tat die Schwelle, die Grenze, ein Übergangsort. Seine Gemälde waren weder referentielle Fenster noch abstrakte Dinge, sie waren Schwellen. Was auch immer sie taten, was auch immer durch sie geschah, war an einem Zwischen-Ort zu finden.

Den vollständigen Text finden sie HIER, auf Englisch und Italienisch.

Austellungsansicht: sorted, resorted, WIELS, Contemporary Art Centre, Brüssel, 2019
Photo © Andrea Rossetti

Bereits im April veröffentlichte Mousse ein ausführliches Interview, das Chris Sharp mit Gabriel Kuri führte. Das Themenspektrum reicht dabei von der Besonderheit lateinamerikanischer Kunst über den Einfluss des Minimalismus bis hin zu einer Neubetrachtung der Verwendung des Readymade durch eine jüngere Künstlergeneration.


CHRIS SHARP: Ich denke, Ihre Arbeit ist sehr lateinamerikanisch, vielleicht nur nicht so, wie die Leute es erwarten. Es ist so, wie Jorge Luis Borges oder Roberto Bolaño Lateinamerikaner sind, womit ich meine, dass das Werk beider Autoren einen nahezu enzyklopädischen Bezugsrahmen in Bezug auf die (Welt-)Literatur enthält. Ihr Werk ist von einem ähnlich enzyklopädischen Bezugsrahmen geprägt, allerdings in Bezug auf die Kunst, genauer gesagt auf die europäische und amerikanische Skulptur der Nachkriegszeit. (…)

GABRIEL KURI: Ich betrachte dies als eine Beobachtung, eine willkommene Bemerkung, und nicht als eine Frage. Ich würde zunächst zustimmen, dass es eine Möglichkeit gibt, wie Kunstwerke sich lateinamerikanisch anfühlen können, ohne die Unmittelbarkeit einer bestimmten Erzählung, Ästhetik oder Thematik zu haben. Es sollte zum Beispiel nicht eine Frage der Ästhetik des explizit Politischen sein müssen. Lateinamerikanische Kunst kann, wie Sie betonen, in einer Weise verwurzelt sein, dass das Werk konzipiert, kontextualisiert und gepitcht wird. Es kann eine Geisteshaltung sein, ein Ort für sich selbst jenseits der Abhängigkeit von der direkten Bezugnahme auf konventionelle kulturelle Besonderheiten. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie meine Arbeit nicht als zitathaft empfinden, denn sie ist es nicht. Ich hoffe, dass meine Arbeit in gewisser Weise lateinamerikanisch aussieht und rüberkommt; es würde nur Sinn machen, wenn sie das täte, obwohl ich viele meiner zufriedenstellendsten Arbeiten außerhalb von Mexiko entwickelt habe. Ich bin an der Schwelle zur Globalisierung volljährig geworden; ich fühle mich ausgesprochen privilegiert, dass ich das Leben in Mexiko im Wesentlichen erlebt habe, bevor die mit der Globalisierung und dem Internet einhergehende Konnektivität Einzug hielt, und ich sah, wie sich dieses neue Potenzial auf Fragen der Identität oder ihres Erscheinungsbildes auszuwirken begann. In meinen prägenden Jahren diskutierten wir ständig über unsere Sorge um die begrenzende Wirkung des exotisierenden Blicks aus dem Ausland, aber ich glaube nicht, dass es für die jüngeren Generationen einfacher ist, in einem scheinbar so nivellierten und vernetzten Bereich zu arbeiten, in dem alles möglich zu sein scheint, und zwar so schnell. Unterschiedlichkeit, Besonderheit und Ausnahme - ganz abgesehen von Appetit und Begierde - haben es schwerer, sich in einem nivellierten Terrain zu entwickeln.

(…)
CHRIS: Mich interessiert sozusagen Ihr Beharren auf dem Prozess und der Verzicht auf die Hand oder die Faktur in Ihrer Arbeit. Das weist auf einen weiteren Widerspruch in Ihrer Praxis hin, was den Minimalismus (der dieses Beharren teilte) und den Post-Minimalismus (der ihn ablehnte) betrifft. Können Sie ein paar Worte zu Ihren Beweggründen für dieses Beharren sagen?

GABRIEL: Nun, ich erschaffe Dinge. Sagen wir, ich bin ein Erschaffer im Gegensatz zu einem reinen Strategen. Ich bin glücklich, meine diskursive Sprache innerhalb der Form zu suchen. Ich glaube nicht, dass die Form nur einem höheren Diskurs untergeordnet werden kann. Der Diskurs findet im Ringen mit der Form statt: Machen ist Formulieren, Machen ist Denken. Abgesehen davon denke ich meist so lange und so tief wie möglich über eine bestimmte Form nach und versuche, den entscheidenden Prozess der Ausführung so prägnant wie möglich zu halten. Es gibt nur einen richtigen Weg, jedes Kunstwerk formal aufzulösen, und meine Praxis strebt direkt danach, diese eine Präzisierung zu erreichen. Ich glaube, je präziser die Formen sind, desto müheloser sollten sie wirken.

Das vollständige Interview finden Sie HIER, auf Englisch.

Gabriel Kuri, untitled (AE DEC 18), 2020, CNC-gesteuerter Ausschnitt aus HMPE-Kunststoff, graviert und handbemalt, Installationsmaße variabel, Höhe: 66,5 cm.
Photo © Andrea Rossetti

Das derzeit im Rahmen unserer Ausstellung PS81E ausgestellte Kuri's untitled (AE DEC 18) ist ein Beispiel für eine solche formale Präzision, wobei die Form eines bekannten und oft übersehenen Objekts verwendet wird. Kuris Werke enthalten oft Spuren vergangener menschlicher Aktivitäten, wie leere Flaschen, Zigarettenstummel oder Ticketabschnitte, die als Zeichen für aufgewendete Zeit, Energie oder Währung fungieren - ein wiederkehrendes Thema in den Arbeiten des Künstlers. In diesem Fall wurde das gefundene Objekt auf eine fast monströse Größe skaliert, wobei jegliche Funktionalität entfernt wurde.
untitled (AE DEC 18) besteht aus einer Reihe von Objekten in verschiedenen Farben aus Hartplastik, die in einer losen Gruppierung angeordnet wurden. Ihre Form stammt von einem gewöhnlichen Befestigungsclip, einem Verschluss, der vor allem bei Verpackungen von Brot in Scheiben (aber auch zum Verschließen von Beuteln von Obst und anderen verderblichen Waren) verwendet wird. Der Clip, der Anfang der 1950er Jahre von einem amerikanischen Unternehmer erfunden wurde - umgangssprachlich als "Brotclip" oder unter seinem Markennamen Kwik Lok bekannt - ist ein vertrauter Anblick in nordamerikanischen Lebensmittelmärkten. Kuri hat die Form vergrößert und aus starkem, widerstandsfähigem Plastik hergestellt, wobei jeder Clip mit individuellen Buchstaben oder einem Haltbarkeitsdatum beschriftet ist.

Die für den Künstler charakteristische Kombination aus formaler und konzeptueller Strenge und Verspieltheit tauchte erst kürzlich in einem kurzen Video auf, in dem er in seinem Atelier Pinball spielt: Kuri spielt ein ausgedehntes Match mit einer Auswahl dieser vergrößerten Befestigungsclips, die einer nach dem anderen nach einem System von selbst auferlegten Regeln umgelegt werden. Eine spielerische Coda.

Hergestellt während des Lockdown im Atelier von Gabriel Kuri in Brüssel. Herzlichen Dank an Cristian Manzutto für seine selbstlose Hilfe mit der iPhone Kamera und dem Editing. Und vielen Dank an Jonas Kuri.

Klicken sie das Bild zum Ansehen!

 

Karin Sander ROHKUNSTBAU 25, Lieberose, Brandenburg

Karin Sander, Hannes 1:6, 2002, 3D-Bodyscan der lebenden Person, 3D-Druck, Gipsmaterial
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Photo © Studio Karin Sander

ROHKUNSTBAU!
27 Juni 2020 - 20 September 2020
Sa/Su 12.00 - 18.00 Uhr
Schloss Lieberose
Schlosshof 3
Lieberose Spreewald

An diesem Wochenende beginnt ROHKUNSTBAU 25 mit Werken von Karin Sander.

25 Jahre ROHKUNSTBAU! Das etablierte Brandenburger Kunstfestival feiert im
Jubiläumsjahr gemeinsam mit Künstler*innen der vergangenen 25 Ausgaben, darunter
viele bekannte Namen aus der internationalen Kunstszene.

Zwei Jahrzehnte vor dem großen Landleben-Trend hat ROHKUNSTBAU den Blick auf Rückzugsgebiete abseits der Metropolen gelenkt. Im sommerlich entspannten Dialog mit der Kunst, der Landschaft und den Menschen vor Ort hat das Festival für ein humanes Miteinander und pflegliches Naturverhältnis geworben. Jahresthemen wie „Kinderszenen“ (2005) „Atlantis“ (2009), „Macht“ (2011), „Revolution“ (2014) „Apokalypse“ (2015), „Die Schönheit im Anderen“ (2017) oder „Achtung – Mind the Gap“ (2018) waren Impulsgeber für ein vertieftes Nachdenken über kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge. Austragungsorte waren Schlösser (Kulturschloss Roskow, Wasserschloss Groß Leuthen, Schloss Sacrow, Schloss Marquardt) oder Villen (Villa Kellermann in Potsdam) und im Jubiläumsjahr erneut das Barockschloss Lieberose am Saum des Spreewaldes.

Im von der Corona-Pandemie und dem Gebot des „Social Distancing“ geprägten Jubiläumsjahr lautet das ROHKUNSTBAU-Motto – scheinbar paradox – „Zärtlichkeit. Vom Zusammenleben“. Kuratorin des Festes des Wiedersehens mit ROHKUNSTBAU-Künstler*innen ist Dr. Heike Fuhlbrügge. Die Autorin und Kuratorin löst 2020 den langjährigen ROHKUNSTBAU-Kurator Mark Gisbourne ab.

(….)

Bitte beachten Sie: Die Ausstellung findet unter den aktuell vorgeschriebenen Hygienevorschriften statt. Die Besichtigung ist daher lediglich für jeweils 50 Gäste gleichzeitig möglich. Der Zugang zur Ausstellung ist nur mit Ticket möglich. Aufgrund der aktuellen Situation werden die Tickets für ein einstündiges Zeitfenster verkauft. Der Verkauf findet online statt. Bitte buchen Sie Ihr Ticket/ Ihre Tickets vorab über die Webseite www.rohkunstbau.net.

Die gesamte Pressemitteilung und die Künstlerliste finden sie HIER.

Ausstellungsansicht: PS81E, Esther Schipper, Berlin, 2020.
Photo © Andrea Rossetti

Eine Arbeit von Karin Sander ist derzeit in Berlin zu sehen, als Teil unserer Ausstellung PS81E. Tischtennisbälle, poliert; Table Tennis Balls, Polished besteht aus mehreren verschiedenfarbigen Tischtennisbällen, die auf Hochglanz poliert wurden. Wie bei den Wallworks der Künstlerin, die aus polierten Wandpartien bestehen, oder ihrer Serie von glänzenden, polierten Eiern, verleiht die Diskrepanz zwischen der Ökonomie der Mittel und dem unverhältnismäßigen Aufwand, der nötig ist, um diesen Eindruck der Einfachheit zu erzielen, dem auffallend sinnlichen Werk einen lakonischen, trockenen Witz und eine gewisse Verspieltheit.

Karin Sander, Tischtennisbälle, poliert; Table Tennis Balls, Polished, 2009 (Detail), 6 Tischtennisbälle (Blau, Gelb, Orange, Grün, Weiss, Neonrot), Sockel, Plexiglashaube
je ca. ø 3,9 cm (Bälle), 186 x 30 x 30 cm (Sockel), 30 x 30 x 30 cm (Plexiglashaube)

© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Photo © Andrea Rossetti

Karin Sander
Skulptur / Sculpture / Scultura
Museion, Bozen
30. Mai – 20. September, 2020

Bereits seit Ende Mai ist Karin Sanders große Einzelausstellung im Museion in Bozen zu sehen. Speziell für das Museion konzipiert, zeigt sie sowohl bestehende als auch neue, exklusiv für die Ausstellung geschaffene Werke.

In ihren Ausstellungen bezieht sich Karin Sander auf bestehende Situationen und thematisiert deren institutionellen und historischen Kontext. Sie greift in die Strukturen der Institutionen ein, verändert sie, hebt Sachverhalte hervor und lädt die Öffentlichkeit zur Partizipation ein. Das scheinbar Vertraute wird neu gedacht, es wird zum Ausgangspunkt eines Erkundungsprozesses.

Am 18. September 2020 ab 18 Uhr findet anlässlich der Buchpublikation mit einem umfassenden Werküberblick der Künstlerin, die anlässlich der Ausstellung erscheint, ein Künstlergespräch mit Karin Sander statt.

Einen virtueller 3D-Rundgang durch die Ausstellung finden Sie hier.

Ausstellungsansicht: Karin Sander, Skulptur / Sculpture / Scultura, Museion, Bozen, 2020
© VG Bild-Kunst, Bonn, 2020
Photo © Luca Meneghel

 

It's Urgent LUMA Foundation, Arles

Ausstellungsansicht: It's Urgent, LUMA Foundation, Arles, 2020
Photo © LUMA Foundation

It's Urgent!
kuratiert von Hans Ulrich Obrist
mit Werken von Liam Gillick, Dominique Gonzalez-Foerster und Anri Sala

Vom 27. Juni bis 27. September 2020

Médico-Social, Parc des Ateliers, LUMA Foundation, Arles

It's Urgent! ist ein von Hans-Ulrich Obrist kuratiertes Projekt, das 2019 in Dänemark begann. Während der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 wurden Künstler eingeladen, mit einer Ausstellung von Plakaten auf Plakatwänden in der Stadt Kopenhagen über die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken. Die Idee war damals, die Werke der Künstler der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie in das öffentliche Leben und die Gemeinschaft einzubringen.

Auf Einladung von Luma wuchs It's Urgent! weiter, und viele weitere Künstler trugen zwischen Sommer 2019 und Anfang 2020 mit ihren Werken bei, die dann bei Luma Westbau präsentiert wurden. Eingeladene Künstler aus der ganzen Welt wurden gebeten, auf die Frage zu antworten, was in unserer Zeit dringend ist.

Dies führte dazu, dass unter anderem die Themen Ökologie, Ungleichheit, gemeinsame Zukunft, Solidarität, Antirassismus und soziale Gerechtigkeit häufig angesprochen wurden. Während das Projekt in Arles weitergeht, haben wir neue Künstler zur Teilnahme eingeladen, und wir werden auch in Zukunft weitere Künstler für die Dauer der Ausstellung über den Sommer einladen. Ihr Beitrag wird ein umfassendes Porträt der Entwicklung von Ideen und Anliegen zeichnen, die für den gegenwärtigen Moment charakteristisch sind.
 

The Reading Corner

<b>Isa Melsheimer</b><br>

Isa Melsheimer

Psychotropische Landschaften
Verlag: Städtische Galerie, Delmenhorst
Sprachen: Deutsch / Englisch

Available here

<b>Gabriel Kuri</b><br>

Gabriel Kuri

<
Verlag: Triangle Books
Sprache: Englisch

Available here


<b>Gabriel Kuri</b><br>

Gabriel Kuri

sorted, resorted
Verlag: WIELS, Brüssel and Koenig Books, London
Sprachen: Holländisch, Englisch, Französisch

Available here


<b>Karin Sander</b><br>

Karin Sander

A–Z
Verlag: Walther König
Sprachen: Deutsch / Englisch

Available here